Die Nacht der Verlorenen (2008) und Antennen-Requiem für H. (1999)

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Geoff Brown: Die London Sinfonietta unter Martyn Brabbins in der Queen Elizabeth Hall

Einen Pianisten/Komponisten, der das Innenleben eines Steinway mit Steinen, Gaffertape, Massagebällen und dem Teil einer Wasserturbine dekoriert, könnte man eher als Clown ansehen anstatt als Musiker. Aber wie falsch das wäre, zeigte uns die anregende Präsentation Thomas Larchers durch die London Sinfonietta – er ist Österreicher und 45 – ein musikalisches Talent von grenzenloser Empfindsamkeit und herausragendem Können auf dem Weg zum Ruhm im 21. Jahrhundert. Im verschlafenen Großbritannien war er als Komponist bisher – außer auf CD – nur wenig präsent.

Das sollte sich mit diesem Konzert ändern, das rund um die Uraufführung von „Die Nacht der Verlorenen“ entwickelt wurde, einen halbstündigen Gesangszyklus von flammender Kraft, der von Bariton Matthias Goerne, der London Sinfonietta und deren Dirigent Martyn Brabbins überzeugend vorgetragen wurde. Es ist nicht ungewöhnlich für einen österreichischen Komponisten, aus der Gestik und Tonalität der Vergangenheit zu schöpfen, aber Larcher verwendet dieses Erbe ganz ohne Ironie, indem er die Vergangenheit – verjüngt und neu erfunden – in die Zukunft befördert, in ein Wunderland schwindelerregender und außergewöhnlicher Klänge.

Wie bei traditionellen Liedtexten sehnen sich die poetischen Fragmente von Henzes früher Muse Ingeborg Bachmann nach verlorener Liebe, Tod und Vergehen. Goernes weiche, melancholische Stimme sog sie auf und blieb sogar dann gleich ausdrucksstark, wenn uns Larchers Ensemble – inklusive Akkordeon – in helle Aufregung versetzte. „Rain Coming“ und „Tree Line“, zwei Werke aus den 1980er-Jahren von Toru Takemitsu, einem der Helden des Komponisten, gaben uns ergänzend dazu Beispiele einer Musik der magischen Farben und Strukturen; aber Takemitsus Post-post-Impressionismus verblasste neben Larchers dynamischen Kaleidoskopen.

Das Werk mit den Steinen und Massagebällen war „Antennen-Requiem für H.“, drei Sätze für ein Klavier, dem durch Zupfen und Streichen Schreie und Geflüster von erstaunlicher Schönheit entlockt wurden. In seinem letzten Klavierkonzert „Böse Zellen“, das von einem philosophischen Drama der Entfremdung der österreichischen Filmemacherin Barbara Albert inspiriert ist, wurde dem konventionellen Klavierspiel ein weiterer Schlag versetzt. Mit ausgewählten gedämpften Saiten und der Stahlkugel einer Wasserturbine ausgerüstet, wurde Larchers Klavier vom Schicksal gebeutelt und rang mit dem Orchester in einem aufreizenden Werk zerstückelter Noten, nervösen Geplappers und widerhallender Seufzer um Orientierung.

Ein besseres Sprungbrett für Großbritannien hätte sich Larcher nicht wünschen können.

zitiert nach: The Times, 2. Oktober 2008